Jobinterview: Per Stimmerkennung zum Traumjob?

Jobinterview: Per Stimmerkennung zum Traumjob?

Übernimmt künftig der Roboter bei Jobinterviews das Ruder? Möglich wäre es! Eine kritische Auseinandersetzung.

Jobinterview: Kollege Roboter übernehmen sie!

Sprache und Ausdrucksweise eines Menschen sind einzigartig. Ausdrucksform und Wortwahl verraten viel über die Persönlichkeit des Sprechers:

  • Ist er aufgeregt?
  • Ist er souverän?
  • Oder: lügt er?
  • Wie valide sind seine Äußerungen?

Solchen Fragen direkt im ersten telefonischen Jobinterview auf den Grund zu gehen, könnte manche Fehlbesetzung verhindern. Eine verlässliche Analyse der Sprache direkt im Gespräch ist seitens des Recruiters jedoch praktisch unmöglich.
Zu viele andere Einflüsse bestimmen die Situation im telefonischen Jobinterview, als dass ein Personaler exakt auf die Zwischentöne achten könnte.  Zumal das menschliche Gehör für eine so feine linguistische Analyse einfach nicht gemacht ist. Selbst bei größter Sorgfalt wäre die Trefferquote vernichtend gering.

Jobinterview: HR Software soll unterstützen

Eine moderne Software soll Personalern nun dabei helfen, der Persönlichkeit eines Kandidaten per Sprachanalyse auf die Spur zu kommen. Noch befindet sich die Lösung allerdings in der Testphase. Entwickelt wurde sie vom Aachener Startup PRECIRE.
Und das geht so: Ein Computer führt ein Gespräch mit einem Bewerber. Dabei will der Roboter so ziemlich alles über das Talent wissen. Nur mit dem ausgeschriebenen Job scheint das auf den ersten Blick nicht allzu viel zu tun zu haben:

  • Wie verläuft ein typischer Sonntag bei Ihnen?
  • Wie haben Sie Ihren letzten Urlaub verbracht?
  • Welchen Hobbys gehen Sie nach?

Ein paar Minuten später ist der “Spuk”, Verzeihung, das Jobinterview  vorbei. Es mag nicht den Anschein haben, doch der Rechner weiß jetzt sehr viel über den Kandidaten. Auch Jobrelevantes!
Anhand seines Sprachrhythmus, der Geschwindigkeit des Sprechens, seiner Betonung, seines Satzbaus und seiner Wortwahl ermittelt die Maschine, wie das Talent charakterlich tickt.

  • Ist es faul?
  • Oder eher agil?
  • Ist es neugierig?
  • Oder doch eher ängstlich?
  • Ist es ein Macher?
  • Weiß es sich zu verständigen und auszudrücken?

Innerhalb von Sekunden lässt sich nach dem ungewöhnlichen Jobinterview ein komplettes Persönlichkeitsprofil anhand der Stimmprobe ermitteln – so das Versprechen des Herstellers. Zuverlässig?

Wie zuverlässig ist die neue Form des Jobinterviews?

Wenn es nach Geschäftsführer Dirk Grazer, der die  Analysesoftware mit einem Team von 30 jungen Informatikern, Psychologen und Linguisten entwickelt hat und dabei von einem Beirat mit Wissenschaftlern der RWTH Aachen, der LMU München und der Uni Hohenheim begleitet wurde, ja. Der sagt dazu gegenüber dem STERN:

“Zur Decodierung der menschlichen DNA braucht es eine Haarwurzel, zur Erfassung des Charakters eines Menschen müssen wir nur seine Stimme haben.”

Wie das genau funktionieren soll, ist auf der Webseite des Anbieters beschrieben: Die Technologie identifiziert in gesprochener und geschriebener Sprache mittels Künstlicher Intelligenz (KI) Muster und leitet daraus linguistische, psychologische und kommunikationsbezogene Merkmale ab.
Dabei werden spezifische Textmuster, wiederkehrende Wortkombinationen, Wortfolgen oder Satzstrukturen erfasst, die der Roboter mit den Referenzdatensätzen von rund 500.000 Probanden abgleicht. Seine daraus abgeleiteten Vorhersagen sollen nicht nur bald in HR, sondern auch in anderen Unternehmensbereichen wichtige, messbare Mehrwerte liefern sollen.

Jobinterview: Cultural Fit steht im Vordergrund

Dass bei dem Jobinterview zunächst keine jobrelevanten Fakten abgefragt werden, ist durchaus begründbar. Vereinfacht gesagt untersucht der Roboter zunächst, wie gut ein Kandidat charakterlich ins Unternehmen passt. Experten sind sich einig: Eben dieser Cultural Fit wird immer wichtiger.
Neben den fachlichen Qualifikationen des Kandidaten ist er die entscheidende Größe für die richtige Auswahlentscheidung. Denn ein hoher Cultural Fit wirkt sich positiv auf Leistung, Wohlbefinden und Loyalität des Mitarbeiters aus. Und eben darauf kommt es in der immer schnelllebigeren Arbeitswelt mindestens genauso an wie auf fachliche Skills. Vielleicht sogar noch mehr. Denn ein Charakter lässt sich nicht so leicht verändern, fachliche Unebenheiten lassen sich dagegen eher ausbügeln.

Robot-Jobinterview: Was sagen Kritiker?

Und so identifiziert die Maschine die Motivation eines Kandidaten, seine Stressresistenz, und ob er auf andere im Unternehmensumfeld sympathisch wirken könnte. Zahlreiche interne und externe Validierungsstudien sichern das Verfahren ab, betonen die Hersteller.
Der Personaldienstleister randstad ist bereits auf den Geschmack gekommen und setzt das Tool probehalber ein. Seit gut einem Jahr sammelt der Personalvermittler damit auf freiwilliger Basis Erfahrungen bei der Vorauswahl von Kandidaten. Bislang offenkundig mit guten Erfolgen.
Dass das Tool Zeit und Geld sparen kann, daran zweifeln auch Kritiker  nicht, dennoch wird der zunehmende Wegfall des Menschen bei der Personalauswahl mit Argusaugen beäugt. Nicht ganz zu unrecht.

Jobinterview: Die kalte Macht der Maschine?

Nachdem smarte Softwaretools bereits bei der Vorauswahl von Kandidaten ihre metallischen Finger im Spiel haben, strecken sie nun auch die Hand nach der Direktansprache aus. Daran muss man sich erstmal gewöhnen.
Zum Verständnis: Längst gibt es Software, die eingegangene Bewerbungsunterlagen und Lebensläufe von Bewerbern scannt und diese hinsichtlich voreingestellter Kriterien wie Qualifikationen, Soft Skills, Weiterbildungen oder Ausbildung analysiert.
Der Computer trifft nach erfolgter Analyse für den Recruiter eine erste Vorauswahl der Kandidaten. Umgekehrt gibt es Sourcing Tools wie Talentwunder, TalentBin oder jacando match die im WWW nach voreingestellten Kriterien auf die Suche nach Talenten gehen. Robot Recruiting nennt sich das.
Wo führt das hin? Besteht bei zunehmender Macht der Maschine nicht die Gefahr, dass sehr individuelle Talente, die nicht dem Standard entsprechen, vorschnell aussortiert oder falsch “verstanden” werden? Die Folge wäre, dass erstklassige Kandidaten vom Computer aus dem Rennen geworfen würden. Das wäre in Zeiten des Fachkräftemangels fatal.

Jobinterview: Der Datenschutz

Und dann wäre da noch die Frage des Datenschutzes. Christian Götz, Experte für Arbeitsrecht bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, kann mit der Spracherkennung im Jobinterview deshalb gar nichts anfangen: “Ich würde so etwas in tausend Jahren nicht mitmachen. Das ist ja fast so, als müsse sich der Bewerber nackig ausziehen”, sagt er gegenüber dem STERN.
Er betont weiter: Die erhobenen Daten griffen weit ins Persönlichkeitsrecht ein. Das sei nur zulässig, wenn der Bewerber vorab genau darüber aufgeklärt werde, was alles erfasst wird. Sonst sei der Einsatz dieses Tools mehr als grenzwertig.
Damit spricht er eine durchaus ernstzunehmende Gefahr an. Was Spracherkennungstools bedrohlich macht, heißt es bei STERN, ist, dass sie grundsätzlich auch ohne Wissen des “Abgehörten” funktionieren. Gespräche können leicht heimlich mitgeschnitten und ausgewertet werden. Das lässt viele Spielräume des Missbrauchs zu: Erpressung zum Beispiel.

Jobinterview mit dem Roboter: Angst vor Missbrauch

Der Softwarehersteller PRECIRE sieht das ein wenig anders. Auf seiner Webseite betont er im Gegenteil sogar, dass die Software im Dienst der Menschlichkeit agiere. Die neuen Technologien kreieren Möglichkeiten, “zukünftige digitale Anwendungen anspruchsvoll in den Dienst des Menschen zu stellen. Sie dienen dem Menschen, wenn ihnen eine sittliche Gesinnung im Entstehen zugrunde liegt und deren Anwendung wiederum dieser sittlichen Gesinnung unterstellt ist”, wird Christoph Stender, Pfarrer, Schriftsteller und Mitglied im Scientific Advisory Board zitiert. “Das impliziert ein positives Menschenbild und mit ihm ein tiefes Verständnis und einen hohen Respekt für die rechtlichen, ethischen und kulturellen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens.” Das ist zweifellos richtig, Kriminellen in der Regel aber eher Wurst.

Fazit: Wenn eine neue Technologie auf dem Markt ist, sind Kritiker immer erstmal extrem laut. Das ist normal und auch gut so, denn es bringt letztlich die Hersteller dazu, alle Risiken und Nebenwirkungen ihrer Tools nochmal auf den Prüfstand zu stellen, die Technik zu verfeinern und weiterzuentwickeln.
Doch, dass der Roboter den Recruiting Prozess zunehmend dominieren wird, dem ist wohl kaum auszuweichen. Denn bereits jetzt sind Recruiter der anfallenden Arbeitsflut kaum mehr gewachsen. Der zunehmende  Fachkräftemangel wird das wohl kaum besser machen.
Wie sich die Einsatzmöglichkeiten beim Thema Spracherkennung entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Möglicherweise stellt sich heraus, dass das Tool in anderen Bereichen doch besser einsetzbar ist. Wir bleiben am Thema dran!

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