Erreichbarkeit im Urlaub: lieber sein lassen!
Sommer, Strand, Sonne, Meer. Endlich mal im Urlaub abschalten. Genau dazu ist die Auszeit ja auch da: Erholung ist ihr primärer Zweck. Doch eben das gelingt nur noch den wenigsten Deutschen wirklich. Eine Umfrage des Bundesverbands BITKOM ergab, dass viele Deutsche es nicht schaffen, auf ihr Smartphone zu verzichten und weiterhin auch beruflich erreichbar sind. Über den Fluch und Segen der modernen Kommunikation und der dauernden Erreichbarkeit.
Erreichbarkeit: Nicht in die Manager-Falle tappen
Es ist die altbekannte Krankheit der Manager, die nun auch “normale” Arbeitnehmer erreicht: Je größer die täglichen beruflichen Herausforderungen und Belastungen, desto schwerer fällt es, im Urlaub den Kopf von Arbeitsgedanken freizubekommen und abzuschalten.
Zunehmend schwerer fällt das inzwischen auch deshalb, weil viele Firmen ihre Angestellten standardmäßig mit Firmenhandy und Laptop ausstatten, über die sich diese via Cloud ins Firmennetzwerk einwählen können, um “nur eben mal schnell” nach dem rechten zu sehen. Auch im Urlaub.
Erreichbarkeit: Auch HR Software im Urlaub nicht antippen
Moderne HR Software Lösungen erlauben es zum Beispiel Recruiting Prozesse bequem per App zu steuern. Manager, Recruiter und Sachbearbeiter haben so jederzeit den Überblick über den Status Quo und können sich darüber abstimmen. Das ist einerseits gut. Andererseits sollte die App in der Sommerpause lieber unberührt bleiben, auch wenn der Fingertipp darauf so verheißungsvoll ist.
Denn aus einem “nur eben mal schnell” können in der Realität leicht auch ein paar Stunden werden. Und was ist, wenn einen schlechte Nachrichten ereilen? Dann können einem diese die bisherige Erholung schnell wieder kaputt machen: Man ist wieder mitten in seinem Alltag. Welcome back. Das ist aber nicht Sinn der Sache.
Erreichbarkeit: Abschalten wird unterbewertet
Erschreckend ist allerdings, dass eine Erhebung des IT-Branchenverbands BITKOM ergab, dass genau das gar nicht mal selten vorkommt. Dieser zufolge ist die Mehrheit der deutschen Beschäftigten auch während des Sommerurlaubs für Kollegen, Vorgesetzte und Kunden erreichbar.
Rund zwei Drittel der Berufstätigen – stattliche 67 Prozent -, die Ferien machen, beantworten dienstliche Anrufe, E-Mails oder Kurznachrichten. Damit nicht genug. Mehr als die Hälfte der Befragten gab bereits vor ihrem Urlaub an, dass sie während der diesjährigen Sommerpause telefonisch (62 Prozent) oder per Kurznachricht (54 Prozent) für berufliche Belange erreichbar sein werden. 44 Prozent gingen davon aus, mindestens ihre Geschäftsmails zu lesen.
Erreichbarkeit: Unternehmen drehen den Saft ab
In gewissen Grenzen ist das auch verständlich. Infolge der zunehmenden Digitalisierung fast aller Geschäftsbereiche nehmen Arbeitnehmer die Welt heute als extrem schnelllebig wahr. Passierte früher in einer zweiwöchigen Abwesenheit eine eherüberschaubare Zahl an Ereignissen, ist das heute anders: In den Posteingängen stauen sich die E-Mails, zahlreiche Anrufe lassen den Anrufbeantworter hektisch blinken, verzweifelte Nachrichten über Messengersysteme oder das firmeneigene soziale Netzwerk warten die auf Beantwortung.
Die Flut an Daten und Informationen, die heute Tag für Tag auf Mitarbeiter einströmt, ist inzwischen kaum mehr beherrschbar. Und diese muss vor allem viel schneller bearbeitet werden als früher, weil die dahinter stehenden Prozesse erheblich schneller geworden sind und Entscheidungen in viel höherem Tempo getroffen werden müssen.
Erreichbarkeit: Die Angst vor der Rückkehr in den Job
Wozu führt das? Richtig: Schon mit Verlassen des Arbeitsplatzes graut es dem Angestellten vor der zu bewältigenden Datenflut nach seiner Rückkehr. Was läge da näher, diese bereits im Urlaub abzuarbeiten, damit sich gar nicht erst E-Mail-Berge anhäufen?
“Viele Angestellte bieten freiwillig an, dass Chefs und Kollegen sie auch im Urlaub ansprechen dürfen”, bestätigt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder in diesem Zusammenhang. Eine rechtliche Verpflichtung bestehe dazu in den meisten Fällen jedoch nicht.
Im Gegenteil: “Immer mehr Unternehmen führen verbindliche interne Regelungen ein, die sicherstellen sollen, dass engagierte Mitarbeiter im Urlaub abschalten können”, sagt er. Sie drehen dem Mitarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes für die Zeit seines Urlaubs den E-Mail-Hahn zu. Auch das ist moderne HR Software inzwischen zu leisten in der Lage!
Erreichbarkeit: Im Zweifel droht der Burnout
Und das ist auch gut so. Denn wer dauerhaft keinen Absprung vom beruflichen Stress findet, riskiert das beste, was er hat: Seine Gesundheit. Psychosomatische Störungen, Burnout, Depressionen, Schlafstörungen – die Liste der möglichen Nebenwirkungen ist lang.
Doch die Sache mit der Erreichbarkeit ist offenkundig auch ein Generationen-Ding. Vor allem die jüngere Generation legt laut der BITKOM Erhebung Wert darauf, während der Urlaubszeit nichts von der Arbeit zu hören. Möglicherweise, weil sie bereits früher als andere Generationen mit den digitalen Medien in Kontakt kamen und mit ihnen besser umgehen können.
So plante die Hälfte (51 Prozent) der Berufstätigen zwischen 14 und 29 Jahren die geschäftliche Kommunikation in diesem Sommerurlaub komplett aussetzen. Zum Vergleich: Unter den 30 bis 49-jährigen und den 50 bis 64-jährigen plant dies nur rund jeder Vierte (27 bzw. 26 Prozent).
Erreichbarkeit: Appell an die eigene Vernunft
Und zu einer weiteren Erkenntnis führte die Untersuchung. Häufig sind es nicht die Vorgesetzten, die mit beruflichen Anliegen die Erholung ihrer Mitarbeiter stören, sondern die Kollegen. Wohlmöglich, weil sie selbst längst am eigenen Leib erfahren haben, wie sie die damit verbundene Belastung auf das eigene körperliche Wohlbefinden auswirken kann.
Bei rund zwei Dritteln (63 Prozent) der Befragten, die im vergangenen Jahr im Sommerurlaub beruflich erreichbar waren, haben sich während des Urlaubs Kollegen gemeldet. Knapp ein Viertel (23 Prozent) wurde von Kunden kontaktiert, nur jeder Fünfte (19 Prozent) von Vorgesetzten.
Immerhin: Jeder Vierte (23 Prozent) blieb trotz erklärter Erreichbarkeit ungestört. “Entgegen vieler Vorurteile zeigen die Ergebnisse, dass die meisten Vorgesetzten die Erholungszeiten ihrer Mitarbeiter respektieren. Nur wer auch einmal komplett ausspannt, kann im Job auf Dauer die volle Leistung bringen”, sagt Rohleder.
Erreichbarkeit: So lässt sich’s abschalten
Zugegeben, in manchen Positionen ist es tatsächlich schwer, sich komplett aus dem Geschehen zu ziehen. Projektmanager, Führungskräfte, Selbstständige und Freiberufler kennen das. Aber man sollte es zumindest versuchen. Hier noch ein paar kleine Tipps, wie man sich das Leben zumindest etwas leichter machen kann:
- Deaktivieren sämtlicher Push-Funktionen am Smartphone.
- Einrichten einer Abwesenheitsmeldung, um Absender über den Zeitpunkt der Rückkehr aus dem Urlaub zu informieren.
- Geschäftspartnern vorab Bescheid geben, dass die nächsten zwei, drei Wochen vornehmlich der Erholung dienen.